Erfolg beginnt im Kopf- Stressmanagement für Reiter
FN -Seminar im Hessischen Landgestüt Mitte Februar – Grundlagen der Stressforschung für mehr Erfolg im Sattel. Welcher Turnierreiter kennt das nicht. Während die Lektionen auf dem Abreiteplatz noch bestens gelingen, geht auf einmal im Viereck oder im Parcours gar nichts mehr.
Nach einer verpatzten Lektion oder einem Hindernisfehler ist dann auch der restliche Ritt eher zum Fürchten als olympiareif. Die Folgen für den Reiter sind oft Frust und noch mehr Leistungsdruck beim nächsten Turnierstart. Dies ist nur einer der Problemkomplexe, die im FN-Seminar „Erfolg beginnt im Kopf“ Mitte Februar im Hessischen Landgestüt Dillenburg angesprochen wurden. Knapp 70 Teilnehmer, darunter viele Ausbilder im Reitsport, waren in die Oranienstadt gereist, um von Referentin Dr. Gaby Bußmann aus Dortmund Tipps zum richtigen Stressmanagement zu erhalten. Die Diplom-Psychologin und Psychologische Psychotherapeutin, die unter anderem am Olympiastützpunkt Westfalen tätig ist, appellierte an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, nicht nur Anregungen aufzunehmen, sondern mit ihr in den Dialog zu treten und Fragen offen anzusprechen.
Bußmann, die selbst aus der Leichtathletik kommt und die bei den Olympischen Spielen in Los Angeles in der 4 x 400-Meter-Staffel Bronze gewann, betreut unter anderem die deutschen Reiter und Schwimmer bei internationalen Meisterschaften und Olympischen Spielen. Die Dozentin hob immer wieder die Einzigartigkeit des Reitsports hervor. In der Sportpsychologie sei das Pferd ihr bester Verbündeter. Die sensiblen Tiere gäben sowohl positiv als auch negativ sofort eine Rückmeldung auf den Gemütszustand der Reiterin oder des Reiters. In keiner anderen Sportart gebe es diese Rückmeldung, die häufig zur Folge habe, dass mentales Training im Reitsport schnell zum Erfolg führe.
Bußmann betonte „Mentale Abläufe passieren immer, mit Mentalem Training lernt der Reiter diese bewusst einzusetzen.“ Sie appellierte an die Teilnehmer, all ihre Sinne einzusetzen. Wichtig sei, sich selber Ziele zu setzen und sich vorzustellen, was man machen wolle. Dabei sei zu beachten, dass unser Unterbewusstsein kein Bild für „nicht“ habe. Die Faustregel laute daher „Man soll sich vorstellen, was man tun will.“ Dies sei beispielsweise auch für Trainer von entscheidender Bedeutung. Nicht der Hinweis, dass beispielsweise der Sitz des Reitschülers nicht gerade sei, führe zum Erfolg. Notwendig sei die Korrektur durch den Trainer mit dem Hinweis, wie der Reitschüler seinen Sitz korrigieren könne. Hierbei sei empfehlenswert, den Schüler nicht mit zu vielen Informationen zu belasten. „Zwei bis drei kurze Hinweise reichen“, so die ehemalige Leistungssportlerin.
Im Coaching sei es zudem sinnvoll mit Bildern zu arbeiten. Erinnerungen an gute Ritte oder gute Trainingseinheiten trügen zur Motivation des Reiters bei. Sich diese positiven Gefühle in Erinnerung zu rufen, mit Fotos oder Videoanalysen, sei wichtiger Bestandteil für die Motivation eines Reiters. Daraus entwickelten sich dann Handlungsbereitschaften. Hierdurch komme man in eine gute psychophysiologische Verfassung und das Nervensystem suche eher erfolgsassoziierte Erinnerungen.
Bußmann erläuterte, dass leider negative Erinnerungen für den Menschen schneller zugänglich und abrufbar seien, als die positiven. Sie hob daher hervor „Beschäftigen Sie sich mit guten Erinnerungen“. Die Dozentin zeigte hierbei auch Beispiele aus der Praxis des Leistungssports, wo sich Reiter Motivationskarten mit Fotos, Zeichnungen, Motto und Sprüchen gemacht haben, um diese kurz vor der Prüfung anzuschauen. „Man muss eine Erfolgsvision haben – stellen Sie sich vor ihrem inneren Auge den möglichen Erfolg vor. Sie genießen ihn in allen Details.“ Dieses Grundprinzip gelte für Leistungssportler genauso wie für Freizeitsportler. Dabei betonte Bußmann, dass auch das Mentale Training regelmäßig erfolgen solle. Für den „Flow“, das Glücksgefühl, sei eine 100-prozentige Konzentration genauso wichtig, wie die Tatsache, dass der Sportler Spaß an seiner Sache habe. Und wies darauf hin: „Lachen ruft Glückshormone hervor und reduziert Stresshormone.“
Ein weiterer wichtiger Punkt des Seminars, der zu vielen Rückfragen führte, war das Thema Angst im Reitsport. „Die Angst will gesehen und wahrgenommen werden. Man muss über die Angst sprechen“, so Dr. Bußmann. Mut und Angst seien die Begleiter im Sport. Eine Erste-Hilfe-Maßnahme zum Ausschalten von Störgedanken sei die sogenannte „Ampeltechnik“, die Angst als Durchgangssignal für grünes Licht erkennt. Angst sei auch der Begleiter für neue Herausforderungen. Beim Umgang mit der Angst könne man beispielsweise das Lachen als geistige Ablenkung und zur Stressreduzierung nutzen. Wichtig sei es, ein „Resilienzkonzept“ zu erstellen. Resilienz beschreibe die Fähigkeit, Misserfolge und Krisen zu bewältigen. „Resiliente Personen sind zuversichtlich, mitfühlend, glücklich und glücklich.“ Sinnvoll sei es im Reitsport, fehlgeschlagene Ritte in einer Videoanalyse nachzubearbeiten und aus den Fehlern zu lernen. Die Lernformel für Niederlagen laute „Gescheitert = Gescheiter“. Die Dozentin appellierte an die Ausbilder, mit ihren Schützlingen über Ängste zu sprechen und beispielsweise bei Kindern und Jugendlichen auch die Eltern in diese Gespräche einzubeziehen. „Manchmal nützt es den Betroffenen schon, wenn sie ihre Ängste offen aussprechen können“, so die Diplom-Psychologin. Mit zahlreichen praktischen Tipps verabschiedete Bußmann die Teilnehmer und gab ihnen die japanische Lebens- und Arbeitsphilosophie Kaizen mit auf den Weg. In den unterschiedlichsten Bereichen gehe es um das Bestreben nach Verbesserungen. Man müsse nach dem Kaizen-Prinzip der kleinen konkreten Schritte arbeiten. Das gelte für den Reitsport genauso, wie für das Berufsleben.
„Stallgeflüster“ / Tanja Radermacher