Zwei historische, hessenweit bekannte Pferde-Gespanne im Aus. Wie traurig ist das denn.
Vor zwei Jahren noch besuchte ‚Stallgeflüster’ die Licher Brauerei und berichtete über die schweren Pferde, die dort ihren Job machten.
Zu ihren Hauptaufgaben gehörte das Ziehen des traditionellen Licher-Festwagens auf verschiedensten Straßenfesten und Umzügen in ganz Hessen. Jetzt erst berichteten die Zeitungen von der Entscheidung die Pferde abzuschaffen, doch da waren die auch schon weg.
Das Freilichtmuseum Hessenpark im Taunus nimmt für sich in Anspruch „Eines unserer langfristigen Ziele ist, für wesentliche Bereiche des Alltagslebens eine Arche-Funktion zu übernehmen. Dazu gehören neben der Züchtung und Pflege alter Nutztierrassen auch der Erhalt alter Kultur- pflanzen und die Wiederentdeckung traditioneller Landwirtschaftsabläufe und Herstellungsweisen. Saisonalität und Regionalität in der Tradition historischer Landwirtschaft werden bei uns gelebt.“
Doch auch hier: Die traditionelle Kutsche, behindertengerecht ausgestattet, mit der Besucher die diversen Baugruppen im Park mit dem historischen Transportmittel anfahren konnten, soll es in Zukunft nicht mehr geben. Warum schafft ein Museum, das ‚Traditionelle Landwirtschaftsabläufe’ erlebbar machen will, ausgerechnet eines der traditionellsten und umweltfreundlichsten Fortbewegungsmittel, nämlich die Pferdekutsche, ab?
„Finanzielle Gründe spielen da wohl keine Rolle“, erklären Manfred Harra und Lebensgefährtin Regina Nedwed gegenüber Stallgeflüster. Sie haben bis Oktober die Kutsche mit ihren eigenen Pferden betrieben. „Den Park hat das nichts gekostet – wir haben unseren Einsatz aus dem Entgelt der Fahrgäste finanziert. Das war für uns natürlich eine Mischkalkulation: An manchen Tagen stand die Kutsche stundenlang bereit, aber es kamen nur wenig Fahrgäste. An anderen Tagen, beispielsweise bei Veranstaltungen, rechneten sich dann auch wieder die ‚mageren’ Tage“, berichten Nedwed und Harra. „Während der letzten Monate fiel es der Veranstaltungs-Organisation jedoch immer schwerer, ihre Events mit einer für unsere Kutsche geeigneten Route zu koordinieren. Da wurde beispielsweise unser Weg bei der Veranstaltung ‚tierisch Hessisch’ wegen eines ‚Postreiters’ gesperrt oder wegen Kaltblüter-Einsatz bei Wald- und Feldarbeit. Dass Pferde zum Einen lenkbar sind und zum Anderen durchaus aneinander vorbei laufen können, oder warten, bis ein anderes Gespann den Weg frei macht, scheinen die Organisatoren nicht zu wissen. Mit ähnlichen Routensperrungen oder kurzfristigen Absagen (z.B. Freitag abends per E-Mail für Samstag) hatten wir schon einige Monate zu kämpfen.“
„Die Kündigung, ebenfalls per E-Mail, kam für uns doch recht überraschend. Die ebenfalls überraschende Begründung lautete: ‚… dass die Kutsche mit ihren zwangsläufig begrenzten Kapazitäten die grundlegenden Transportprobleme im weitläufigen Museumsgelände nicht lösen kann.’“
Die offizielle Pressemitteilung des Museums zeugt davon, dass mit dem Einsatz von Pferden für die Planer am Schreibtisch ein offenbar erheblicher organisatorischer Aufwand verbunden ist, den man nicht leisten kann. Allerdings begründet er auch den Verdacht auf erhebliche Konzeptionslosigkeit nach der Abschaffung dieses Transportmittels. „Die Zahl der beförderten Personen stand nicht im Verhältnis zu dem organisatorischen Aufwand, den das Museum zur Realisierung des Kutschbetriebs leisten musste. Zudem sorgte das von der Taunuskutsche entwickelte Konzept der Tageskarten immer wieder für Besucherunmut, weil es zwar theoretisch möglich war, die Kutsche mehrfach zu nutzen. Dies ließ sich in der Praxis aber oft nicht umsetzen, weil die Kutsche voll war, ihren Betrieb vorzeitig einstellte oder lange Wartezeiten hatte, die von den Besuchern nicht in Kauf genommen wurden. Die Zusammenarbeit mit der Taunuskutsche verlief nicht immer reibungslos. Auch das hat zu unserer Entscheidung beigetragen, die Kooperation nicht fortzuführen. Das Museum wird auf längere Sicht ein neues Transportkonzept entwickeln. Sobald es dazu berichtenswerte Neuigkeiten gibt, werden wir diese bekannt geben. Konkrete Ideen oder Umsetzungspläne für 2017 gibt es derzeit nicht.“ Stallgeflüster hätte da ad hoc eine ganz konkrete Idee: Wie wäre es mit dem Einsatz einer zweiten Kutsche und einer für beide Seiten zufriedenstellenden Lösung der Fahrkarten? Nun darf man gespannt sein, wie es weiter geht…
Weniger spannend ist die Abschaffung der Licher-Pferde. Schließlich dienten sie ja ‚nur’ der Werbung und dem Marketing. Die Auflösung des ‚Licher-Stalls’ ging Hals über Kopf: Sicherlich eine Entscheidung, die schon länger fest stand – den Beteiligten jedoch erst kurz vor dem endgültigen Aus bekannt gegeben wurde, vermutet Stallgeflüster. Denn aus dem Fuhrbetrieb Schmelz, der jetzt den Licher-Wagen sein Eigen nennt, hört man, dass ihnen donnerstags die Auflösung zu Ohren kam – sonntags schon holten sie den Wagen aus dem bereits weitgehend geleerten Pferdestall. Die Tiere – meist noch jung und gut ausgebildet, wurden zum großen Teil von Fahrbetrieben aus der näheren Umgebung übernommen. Eines steht für Volker Schmelz doch bereits fest: „Der Wagen ist eine tolle Erinnerung an das beeindruckende Sechser-Gespann. Aber egal, was ich mit dem Wagen mache, ein Kasten Licher kommt mir da niemals wieder drauf.“
„Stallgeflüster“ / Elke Stamm