Wenn Locken locken
Das Curly Horse ist ein Allroundpferd mit besonderen Eigenschaften. Es zählt zu den Newcomern in der Welt der Pferde und macht Pferde- allergiker glücklich – das American Bashkir Curly Horse, kurz Curly Horse oder Curly genannt, findet in Deutschland immer mehr Liebhaber.
Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass die Natur diesen Pferden einen Streich gespielt hat: Alle Haare – das Fell, Mähne und Schweif – wellen oder locken sich. Das Deckhaar ist bei manchem Exemplar zu solchen kurzen Haarknoten verzwirbelt, als wollte es einem Pudel Konkurrenz machen. Sogar das Haar in den Ohren ist kraus und die langen Wimpern sind schwungvoll nach oben gebogen. Selbst der Geruch der Curly Horses ist anders. Sie verströmen nicht den für Pferde typischen Geruch, sondern riechen eher nach reiner Lammwolle.
Curly Horses sind in vielerlei Hinsicht außergewöhnliche Pferde. Sie bringen neben hervorragenden Reiteigenschaften und einer robusten Gesundheit vor allem eine besonders bemerkenswerte Eigenschaft mit: Sie gelten als hypoallergen. Das bedeutet, dass Menschen, die normalerweise allergisch auf Pferde reagieren, keine oder nur geringfügige Berührungsängste mit einem Curly Horse zu haben brauchen. Damit geht für viele von ihnen ein Traum in Erfüllung. Endlich können sie ihrer Pferdeliebe nachgehen, ohne etwa unter brennenden, juckenden Augen oder Atemnot zu leiden. In Deutschland gibt es insgesamt ca. 16 bis 20 Millionen Allergiker, rund 500.000 von ihnen leiden an einer Pferdeallergie. Es gibt vier genau beschriebene allergieauslösende Stoffe bei Pferden. Sie kommen in den Hautschuppen, dem Speichel und im Urin der Pferde vor. Das ist bei den Curlies nicht anders, nur sind die Allergene hier in einer weit geringeren Menge vorhanden bzw. anders zusammengesetzt. Wissenschaftliche Untersuchungen mit freiwilligen Testpersonen haben bestätigt, dass Allergiker kaum oder gar nicht auf Curlies reagieren, wenn sie diese reiten und pflegen. Sogar eine Desensibilisierung durch den Kontakt zu Curly Horses ist möglich. Obschon das wellige Fell als eine Art Gütesiegel der Rasse gehandelt wird, kommen auch hin und wieder glatthaarige Exemplare vor, die sogenannten Straight Curlys. Ihre Gene sind nicht weniger hypoallergen. Offensichtlich spielt die Beschaffenheit der Haare keine große Rolle, was die Hypoallergenität betrifft. Wer als Allergiker ein Curly Horse erwerben möchte, sollte dennoch seine Reaktion speziell auf das auserkorene Tier testen lassen. Entdeckt worden sind die Curly Horses erst um die Wende zum 20. Jahrhundert in den wild lebenden Mustangherden in Amerika im Osten Nevadas. Über ihren Ursprung ist bisher wenig bekannt. Sie sind nicht, wie ursprünglich angenommen, mit den ebenfalls gelockten russischen Steppenpferden, den Baschkiren, verwandt. Es gibt einige wenige historische Quellen, in denen Pferde mit welligem Fell Erwähnung finden. So sollen lockig behaarte Pferde aus Indien im 19. Jahrhundert nach Amerika gebracht worden sein und auch Charles Darwin soll solche Exemplare auf seinen Expeditionen in Südamerika beschrieben haben. Man weiß, dass schon die Sioux- und Crow-Indianer Curly Horses zähmten und ritten, lange bevor die Einwanderer diese Pferde für sich entdeckten.
Schließlich war es die Rancherfamilie Dameles aus Nevada, die um 1900 wilde Curlies einfing und erste Zuchtversuche mit den eigenen Hengsten unternahm. Die Dameles entdeckten, dass das spezifische Fell bei den gekreuzten Pferden erhalten blieb. Auch das robuste, freundliche Wesen der Curlies vererbte sich dominant weiter. Nachdem alle Pferde der Dameles mit Ausnahme der Curly Horses einem extrem harten Winter zum Opfer fielen, setzten auch andere Rancher diese Pferde in ihrer Zucht ein. Sicher hatte damals niemand im Sinn, hypoallergene Pferde zu züchten. Die Rancher brauchten Robustpferde, die widerstandsfähig gegen Hitze und Kälte waren und sich als Arbeitspferde eigneten. Viele Jahrzehnte legte man keinen Wert auf eine Reinzucht aus der ursprünglichen Herde der Dameles. So entstand ein breites Spektrum von Curly-Typen. Curlies kommen in unterschiedlichen Größen und in fast allen Farben vor. Seit 1971 gibt es ein Zuchtregister.
Curly-Fans schwärmen von den unverwechselbaren Charaktereigenschaften ihrer Pferde. Sie beschreiben sie als intelligent, leistungsbereit, genügsam und ausdauernd. Außerdem sind Curly Horses sehr gutmütig und eignen sich deshalb gut für Kinder. Im Reitsport findet man sie in den klassischen Disziplinen wie Dressur und Springen genauso wie beim Westernreiten, im Fahrsport oder als Freizeit- und Familienpferde. Ob Allergiker oder nicht – es gibt also viele gute Gründe, sich für dieses außerordentliche Pferderasse zu begeistern.
Stallgeflüster / Ulrich Schmelzer