Bei den Gießener Wildpferden tut sich was -Neuzugang „Fury“ soll für Nachwuchs sorgen
„Stallgeflüster“ berichtete bereits vor einiger Zeit von den Gießener Wildpferden. Die Przewalski-Pferde, die unweit von Gießens Innenstadt im ehemaligen Militärgebiet „Hohe Warte“ leben, haben die Landschaftspflege dort übernommen und halten beispielsweise das spröde Reitgras kurz. Seit unserem letzten Bericht hat sich allerdings einiges bei den freundlichen Vierbeinern, die an ihrem Aalstrich, der Stehmähne, dem Milchmaul und der Mausfalben-Farbe zu erkennen sind, getan.
Im letzten Sommer konnte sich das Gießener Wildpferdeprojekt, das als Semireservat dem Europäischen Erhaltungszuchtprogramms (EEP) dient und von dem Bundesforstbetrieb Schwarzenborn unter Leitung von Christoph Goebel verwaltet wird, über einen besonderen Titel freuen. Die Bundesregierung erklärte die Hohe Warte und den nördlichen Teil des früheren US-Depots zum „Nationalen Naturerbe“. Das Gebiet ist eines von zwei Gebieten in Hessen, das ernannt wurde. In ganz Deutschland sind es zurzeit 62 Flächen, die der Bund zum „Nationalen Naturerbe“ zählt. Hierbei handelt es sich um „naturschutzfachlich hochwertige Flächen“, die dauerhaft dem Naturschutz zur Verfügung stehen.
Die Flächen sind somit vor Verkauf und Privatisierung geschützt. „Flächen, die Nationales Naturerbe sind, dürfen nicht an irgendwelche Privatpersonen verkauft werden“, so Martin Dawid vom Bundesforstbetrieb Schwarzenborn. Die Wildpferde dienen dabei in Gießen als Landschaftpfleger für die ausgezeichnete Fläche. Die Pferde halten das Gebiet „naturschutzfachlich hochwertig“.
Der neue Titel des Gießener Naturschutzprojektes ist aber nicht das Einzige, was bei den Wildpferden für Schlagzeilen sorgt. Seit dem Sommer lebt auf der 20 Hektar großen Koppel auch ein Przewalski-Hengst. Der 2007 geborene Fury, der aus dem Semi-Reservat Campo-Pond in Hanau-Großauheim kommt, soll nun in Gießen für Nachwuchs sorgen. In Hanau hat das bereits viermal geklappt. „Der Transport von Fury nach Gießen war sehr aufwändig“, schildert Martin Dawid vom Funktionsbereich Naturschutz beim Bundesforstbetrieb Schwarzenborn die Umsiedlung des Pferdes. Der Hengst sei sediert und separiert worden. Trotzdem hätten die dortigen Stuten den ruhig gestellten Hengst sofort attackiert.
Beim späteren Transport sei dann aber alles gut gegangen. Die Gießener Stuten Abadia, Ajala, Sira, Marie, Krissi, Janine und Kati beäugten den Neuankömmling allerdings kritisch und hielten Fury zunächst ein paar Tage auf Distanz. Dann aber habe sich die ältere Stute Abadia mit Fury angefreundet und ihn vor dem Rest der Herde beschützt. „Nach und nach hat sich Fury jetzt eingelebt und sich auch durchgesetzt“, erzählt Martin Dawid. „Jetzt ziehen sie als eine Herde über die Fläche.“
Im Juni hat Fury auch schon angefangen Stuten zu decken. „Jetzt müssen wir schauen, was dabei herauskommt“, so Dawid der für das Projekt Wildpferde mitverantwortlich ist. Ob bereits Stuten tragend sind, kann Dawid noch nicht sagen. „Bei Wildpferden ist das Problem, dass man eine Trächtigkeit von außen fast nicht sieht.“ Es müssen deshalb von den Tieren Proben genommen werden. Ergebnisse hierzu gebe es noch keine. Aber Dawid ist überzeugt: „Ich rechne definitiv mit Fohlen im kommenden Jahr, die Frage ist nur wie viele.“ Im Gegenzug zu Furys Umsiedlung wurde die Stute Jana mit ihrem Nachwuchs Nele nach Hanau – Großauheim verlegt. Bei diesen Pferden wurden die sogenannten „Tellerhufe“ diagnostiziert, eine vererbbare Hufverformung, die die Pferde von einer weiteren Zucht ausschließt. „Das ist in der Zucht natürlich nicht gewünscht.“
Bei diesem Transport nach Hanau ging alles gut und die Stuten wurden gleich in die Herde integriert. Die beiden leben nun in der Herde auf dem Gelände von Campo Pond.
„Stallgeflüster“ / Tanja Radermacher