Geballte Kraft in Thüringen
Gleich hinter Eisenach, an der Grenze Hessens zu Thüringen, gibt es sie in geballter Kraft. Die vom Aussterben bedrohten Rheinisch-Deutschen Kaltblüter. Im schönen ländlichen Großenlupnitz werden die allseits beliebten Dicken schon seit 1978 züchterisch erfolgreich betreut. Seit 10 Jahren nahm die Familie Gunder (Argraringeneur für Pferdezucht) und Heike Gernandt (Agraringeneurin) die Pferdezucht in Ihre Hand.
Neben der Zucht und altersgerechten Aufzucht von Jungpferden auf ca. 92 ha Grünland wird auch die Ausbildung der Pferde von der Vorbereitung auf Stutenleistungsprüfungen bis zum Forstpferd oder auch Freizeitpferd durchgeführt.
Bis zu 60 Kaltblüter stehen im Betrieb, schön getrennt nach Stuten, Junghengstherde, Jungstutenherde, Remonten, Fohlen usw.
Die Gruppenhaltung der Zuchtstuten und auch der Jungpferde fördert das Sozialverhalten, die Pferde zeigen weniger Verhaltensprobleme beim Umgang mit dem Menschen, wie langjährige Erfahrungen beweisen.
Großer Wert wird auf ausgiebigen Weidegang gelegt, auch im Winter, wenn es die Witterung nur irgendwie zulässt.
Die meisten Weiden werden nach den Bedingungen des KULAP Programms zur Landschaftspflege ohne Düngung und Chemie bewirtschaftet, ergeben so weniger Ertrag, dafür aber gesundes Futter, Heu und die wichtigen finanziellen Hilfen.
Die Zucht der Rheinisch-Deutschen als vom Aussterben bedrohte Rasse in Thüringen wird ebenso gefördert, bis 2013 sind sie mit 26 Zuchtstuten und Hengsten dabei.
„Es ist ein schwieriger Markt geworden“ sagt Gunder Gernandt, obwohl der Trend, ein Kaltblut als Freizeitpferd für den Reiter zu nutzen etwas gewachsen ist. Die Zuverlässigkeit und Ausgeglichenheit der Rasse findet auch außerhalb des Einsatzes als Arbeitspferd langsam seine Liebhaber.
Der Pferdehof besitzt zwei eigene Hengste „Emir“ und „Vladimir“, zur Decksaison steht auch noch ein Hengst aus Moritzburg hier im Deckeinsatz.
Jedoch darf man die Wirtschaftlichkeit nicht aus dem Auge verlieren.
Vom dem emensen Arbeitsaufwand, den die Familie betreibt, will der Nachwuchs
(ein Sohn und zwei Töchter) nicht aufgefressen werden und haben sich beruflich anderwärtig entschieden, zumal mit den Kaltblütern keine Reichtümer erwirtschaftet werden können.
Die Decktaxe beträgt ca. zweihundert Euro und für drei bis viertausend Euro kann man so ein gutmütiges Tier vier-fünfjährig erwerben. Jedoch die Nachfrage könnte besser sein.
Mehrere große Braunschimmelwallache aus Großenlupnitz werben bei der Licher Brauerei in Festumzügen für ihre Geburtsstätte.
Ein glückliches Händchen hatte Gernandt mit dem Verkauf seines gezogenen Hengstes Orkan, der ging nach Neustadt/Dosse ins Landgestüt und vererbt dort erfolgreich.
Die Zuchtstätte ist seit 1978 besonders erfolgreich in der Hengstaufzucht, erst kürzlich wurde ein nach Hessen verkaufter Junghengst vom Orkan gekört und reiht sich somit in die Riege der über 40 gekörten Hengste, die hier gezüchtet oder aufgezogen wurden, ein.
Es wirkt alles sehr familiär bei den Gernandts, man sieht es am Umgang mit den fleißigen Helferlein.
Mädchen und Jungens aus der Umgebung greifen mit zu, wenn es heißt umkoppeln, misten oder fahren.
Es macht schon eine große Mühe, solch einen Betrieb zu pflegen. Aber das Herz der Gernandts schlägt für die starken Boliden und wenn sie erzählen, kommt man gar nicht so schnell nach. Sie lieben ihre Dicken und sind stolz über ihre Nachzucht.
Natürlich werden die Pferde dort auch auf ihr weiteres Pferdeleben vorbereitet, eingespannt für den Fahreinsatz, angeritten oder angelernt für den Forst je nach Wunsch des neuen Besitzers.
Die allseits so beliebten Kremserfahrten, die noch vor ein paar Jahren gerne gebucht wurden und auch ein kleines wirtschaftliches Zubrot für die Halter boten, sind leider der immer schnelllebigeren Zeit etwas gewichen erzählt Gunder Gernandt mit wehmütigem Blick.
Ein Tipp von Stallgeflüster, so eine Fahrt macht Laune und man kommt der Natur und nicht nur den Kaltblütern eine ganze Ecke näher.
Eine Augenweide bot sich uns, als eine Herde mit geballter Kraft über die großläufigen Wiesen galoppierte. Da geht einem schon mal das Herz auf!
Es ergab sich an diesem Tag noch eine Zufallsbekanntschaft mit Reinhard Rausch, der ebenfalls aus Hessen angereist kam und einen sehr erfolgreichen Zuchtbetrieb in Waldeck unterhält. Auch ihn werden wir einmal besuchen.
Im Januar 2013 zur Bundes Kaltblutschau in Berlin werden die Gernandts wohl wieder mit einer Auswahl ihrer Pferde dort vorstellig werden.
Stallgeflüster wünscht Ihnen viel Erfolg!
Von A. P.