Hinrich Romeike – ein Olympiasieger mit viel Fein- und Fingerspitzengefühl
Einfach ehrlich: „Ich halte mich nicht für besonders talentiert. Doch ich bin beharrlich, geduldig und ein Pferdefreund. Und das Handwerk des Reitens kann man lernen. So schaffte es der praktizierende Zahnarzt aus Schleswig-Holstein bis zum Olympiasieg im chinesischen Hongkong. Anschließend hat sich die Welt des reitenden Mediziners in jeder Hinsicht verändert. Ein Medienauftritt jagt den nächsten, Sponsoren stehen auf der Matte, Gala-Veranstaltungen, Bälle wie in Baden-Baden zu den Wahlen „Sportler des Jahres“ sind unausweichlich. Doch der bodenständige Dentist bleibt als Mann der Vielseitigkeit ganz gelassen – sowohl als Bohrer am Stuhl in der Praxis als auch im Gelände mit seinem Ausnahmepferd „Marius“: So ist er halt: Hinrich Romeike. Mit dem Olympiasieger sprachen A. Pötzl und F. Cunz
Sie sind im Norden der Republik fest verwurzelt, nicht nur wegen der Zähne Ihrer Patienten. Darum interessiert Stallgeflüster umso mehr, wann Sie mit Ihrem Holsteiner Schimmel Marius einmal in Hessen zu sehen sind? „Ehrlich keine Ahnung, liegt nicht so in meinem Plan. Hessen ist wahrlich kein Buschland. Aber es gibt sehr interessante Veranstaltungen zum Beispiel in Lauterbach, dort pflege Ich auch gute Kontakte zu Antje und Kirsten Langenhan. Vielleicht trifft man sich dort.“
Zur Chronistenpflicht: Wie sind Sie zum Reiten gekommen? „Pferde gehören seit meiner Kindheit zu meinem Leben. Wir hatten immer Pferde auf dem Hof. Als Junge mit Angst vor dem Springen habe ich mich nach einem Turnierbesuch der Schenefelder Vielseitigkeitsprüfung für die Buschdisziplin entschieden.“
Wie ist es überhaupt möglich, dass ein Zahnarzt, der den ganzen Tag bohrt, zweimal zu den Olympischen Spielen fährt. Wer über nimmt dann Ihren Job? „Zur ersten Frage: Das kommt mir selbst manchmal unheimlich vor. Zur zweiten Frage: Wir betreiben mit vier Kollegen eine Gemeinschaftspraxis.“
Zittern nach schweren Ritten manchmal die Hände? „Bislang noch nicht. Auch von Muskelkater keine Spur.“
Ist abends nicht mal die Luft zum Reiten oder für anderes raus? „Natürlich. Manchmal muss ich mich wirklich aufraffen, um vor allem für die Reiterei Kreativität an den Tag zu legen.“
Hilft Ihnen Marius dabei? „In jeder Hinsicht. Ich rede mit ihm, klopfe und streichle ihn, tüddel mit ihm herum. Marius ist ein Geschenk des Himmels.“
Woran machen Sie das fest?„Er hat eine wirklich unwahrscheinliche Moral. Wenn ich mal einen Fehler mache, drückt er gerne ein Auge zu. Und wenn es ihm mal schwer fällt, zieht er trotzdem durch.“
Können Sie sich vorstellen, diesen Ausnahmewallach noch auf eine dritte Olympiade mitzunehmen? „Natürlich. Doch das ist noch ein paar Jahre hin hin. Schaun mer mal.“
Wie sind Sie an den Wallach gekommen? „Ich saß auf der Rückfahrt vom Skiurlaub mit Jens Ritter, dem Züchter von Marius, zusammen im Speisewagen eines Zuges. Dort habe ich Marius von ihm gekauft.“
Erfährt er eine besondere Pflege? „Ja natürlich, aber im Prinzip ist er Kassenpatient.“ Wie geht es Marius aktuell? „Er ist topfit. Seine besondere Stärke liegt klar im Gelände, aber auch in Dressur- und Springprüfungen hat er sich kontinuierlich weiterentwickelt.“
Haben Sie ein Pferd für die Vielseitigkeit in der Hinterhand? „Klar, wird aber nicht verraten.“
Und wie geht es Ihnen nach dem Medienrummel nach Hongkong? Hat sich Ihr Leben verändert?
„Deutliches Ja. Das alles war für einen Amateur schon ein wenig ungewohnt. Vor Weihnachten war es für mich besonders stressig. Aber so langsam kehrt der Alltag wieder ein.“
Haben Ihre Patienten mitgelitten?„Ich hoffe nicht. Schließlich wollen die, dass man ihnen nicht weh tut. Konzentration auf die kleinen Dinge sind wichtig. So bin ich von früh bis spät gefordert — genau wie beim Reiten.“
Hat Sie das knappe Verpassen der Medaillenränge bei den Wahlen „Sportler des Jahres“ nicht doch geärgert? (Beide Male auf Rang vier; die Redaktion) „Ich musste lediglich Gewichtheber Matthias Steiner, Tischtennisspieler Timo Boll und Triathlet Jan Frodeno den Vortritt lassen. Für einen Vielseitigkeitsreiter nicht schlecht. So bleiben Hans Günter Winkler und Fritz Thiedemann weiter die beiden einzigen Pferdesportler, die den Titel je für sich gewinnen konnten.“
Und die Mannschaft? „Ingrid Klimke, An dreas Dibowski, Frank Ostholt und Peter Thomsen freuten sich mit mir über den vierten Platz. Wir haben nicht nur die deutsche Fußball-Nationalmannschaft sondern auch die Dressurkollegen von China hinter uns gelassen. Hockey-Team, Bundesliga-Aufsteiger Hoffenheim und die Tischtennismänner landeten vor uns; Glückwunsch.“
Vorletzte Bitte: Ein Satz zum Thema Doping, das nun auch andere populäre Sportarten hart trifft. „Wer bewusst dopt, ist für mich ein Betrüger.“ Ein Kollege schrieb kürzlich, dass Sie immer für ein Späßchen zu haben sind und gerne lachen. „Da hat er Recht!“
Und wie steht es um Ihren Hang zum Philosophieren? „Nietzsche mag ich in der Tat. Bleibe aber ansonsten bei meinen Leisten in Schleswig-Holstein.“
„Stallgeflüster“ wünscht: Reiten Sie bald einmal im Hessenland!